Hupende Autos, genervtes Gedrängel, hektische Menschen und unfreundliches Verhalten. In den letzten Wochen ist mir mal wieder aufgefallen, wie schlecht die zwischenmenschliche Stimmung häufig an vielen Ecken des alltäglichen Lebens ist. Da bin ich dann tatsächlich immer wieder froh, dass ich zum Beispiel nicht als Verkäuferin hinter einer Kasse stehe und den ganzen Tag möglichst freundlich sein soll. Oder als Krankenpflegerin in Schichtdiensten Patienten pflege und dabei immer ein freundliches Ohr haben soll.
Viele Menschen arbeiten tagtäglich mit und für andere Menschen: Sie bedienen, verkaufen, behandeln, pflegen, beraten, therapieren,… im persönlichen Kontakt oder auch per Telefon. Dabei spielen auch Emotionen eine wichtige Rolle . Ist es eigentlich gesund, den ganzen Tag über freundlich zu sein? Alle Kundenwünsche und –beschwerden mit einem freundlichen Lächeln oder zumindest einem bestimmten Maß an Freundlichkeit aufzunehmen und möglichst gut umzusetzen? Egal, ob das Kind zu Hause krank ist, das Wetter auf dem Weg zur Arbeit miserabel war oder alle Kunden des Tages einfach nur unfreundlich sind?
Und diese Fragen gelten ja nicht nur für den Verkauf: Wie geht es den Menschen, die in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindertagesstätten arbeiten? Die im ÖPNV beschäftigt sind und Busse lenken oder Fahrkarten kontrollieren? Oder den Beschäftigten, die im Handwerk tagtäglich mit Kunden Kontakt haben?
Management der Gefühle: Was haben Emotionen mit Arbeit zu tun?
Was Emotionen mit Arbeit zu tun haben, damit hat sich Ende der 1960er Jahre erstmals die amerikanische Soziologin A. Hochschild beschäftigt. Emotionsarbeit meint, dass in bestimmten Tätigkeitsfeldern das Herstellen bzw. Zeigen bestimmter Emotionen im Umgang mit Kunden zur eigentlichen Arbeitstätigkeit mit dazu gehört: Die Flugbegleiter sind immer freundlich zu den Passagieren, Krankenpflegerinnen sind ihren Patienten gegenüber immer empathisch und mitfühlend usw.
Beschäftigte können die von ihnen geforderte Emotionsarbeit an der „Oberfläche“ ausführen: Sie täuschen bestimmte Emotionen dann vor. Das gezeigte Gefühl hat dann nichts mit dem zu tun, wie die Person sich tatsächlich fühlt.
Beschäftigte können die Emotionen aber auf einer tieferen Ebene tatsächlich nachempfinden bzw. dann auch wirklich empfinden. Mit Hilfe von bestimmten Techniken und Vorstellungsübungen können die geforderten Gefühle „produziert“ werden.
Emotionsarbeit und psychische Gesundheit
Psychische Erkrankungen und stressbedingte Ausfälle machen einen großen Teil der Kranschreibungen von Beschäftigten aus. Arbeit belastet viele Menschen psychisch stark und macht sie krank. Bei der Beschreibung von Burnout wird die emotionale Erschöpfung der Betroffenen als ein wichtiges Symptom genannt.
Welchen Einfluss hat dabei die Emotionsarbeit? Wie steht es um das psychische Wohlbefinden und um den Stresslevel von Beschäftigten, wenn sie einen Großteil ihres Arbeitstags über bestimmte Emotionen zeigen „müssen“?
- Das Zeigen von Emotionen im Berufsleben kann ein Stressfaktor sein und zum Ausbrennen und zur Erschöpfung beitragen.
- Gerade bei der oberflächlicheren Emotionsarbeit kann es zum Erleben von emotionaler Erschöpfung kommen, was langfristig die Entstehung von Burnout begünstigen kann.
- Eine Quelle von Stress und emotionaler Erschöpfung ist dabei, dass die gezeigten Gefühle nicht mit den tatsächlich erlebten Gefühlen übereinstimmen, was als emotionale Dissonanz bezeichnet wird.
- Emotionale Erschöpfung aufgrund einer hohen emotionalen Dissonanz führt eher zu einer geringen Arbeitszufriedenheit.
- Durch eine ausgeprägte kundenorientierte Einstellung kann aber zum Beispiel bei oberflächlicher Emotionsarbeit emotionale Erschöpfung verhindert werden.
Dies sind nur ein paar Ergebnisse aus Untersuchungen zur Emotionsarbeit und ihren gesundheitlichen Auswirkungen. Emotionsarbeit ist dabei immer nur ein Rädchen bei der Entstehung von Stress und Burnout.
Angestellte im Dienstleistungsbereich sollen den Kundinnen und Kunden möglichst positiv und freundlich gegenübertreten, damit diese ihre Produkte und Dienstleistungen kaufen. Sie müssen also so etwas wie „erfolgreiche Emotionsarbeiterinnen und Emotionsarbeiter“ sein. Von Vorteil ist es, wenn sie einen gesundheitsförderlichen Stil der Emotionsarbeit pflegen, damit es nicht zu emotionaler Erschöpfung und den daraus resultierenden Folgen kommt.
Was können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber tun, damit emotionale Erschöpfung bei ihren Beschäftigten im Dienstleistungsbereich gar nicht erst entsteht?
- Verhaltensregeln zum Umgang mit Kunden aufstellen
Das Unternehmen muss sich zunächst einmal klar darüber werden, dass Emotionsarbeit ein wichtiger Aspekt bestimmter Arbeitsaufgaben im Unternehmen ist. Für den gewünschten Umgang mit Kunden werden dann Regeln aufgestellt und diese allen Beschäftigten zugänglich gemacht und erklärt. Wie wird in bestimmten Situationen mit Kunden umgegangen? Wie gehen wir mit Beschwerden um? Haben die Kunden immer Recht oder dürfen die Beschäftigten auch Grenzen in der Kommunikation mit Kunden setzen? Wo dürfen Beschäftigte auch eigenverantwortlich agieren und so etwas wie „emotionale Souveränität“ zeigen?
- Augen auf bei der Personalauswahl
Bei der Personalauswahl sollten Arbeitgeber prüfen, ob die Bewerberinnen und Bewerber auch den emotionalen Anforderungen der späteren Tätigkeit gerecht werden können. Für Arbeiten mit viel Kundenkontakt sind eher Beschäftigte gefragt, die z.B. offen sind, die Freude an Kundenkontakten haben und die sich durch ein gutes Konfliktverhalten auszeichnen. Bewerberinnen und Bewerber sollten die vom Unternehmen aufgestellten Verhaltensregeln rechtzeitig erfahren und bereit sein, diese im Arbeitsalltag einzuhalten und anzuwenden.
- Emotionen und Stress zum Fortbildungsthema machen
Die Bewältigung emotionaler Anforderungen und der Umgang mit psychischen Belastungen sollte ein Bestandteil von Aus- und Fortbildungen sein. Diese Themen können auch im Rahmen von Teambesprechungen oder Supervisionen behandelt werden.
- Negative Kundenkontakte reduzieren
Ständig mit anstrengenden Kunden und Kundinnen umgehen zu müssen, kann auf Dauer psychisch sehr belastend sein. In Bereichen mit viel negativen Kundenkontakten (z.B. Beschwerdeannahme) sollten Arbeitgeber daher möglichst dafür sorgen, dass Beschäftigte im Wechsel Tätigkeiten übernehmen können, die emotional nicht so anstrengend sind.
- Gesunde Pausenkultur fördern
Im Unternehmen sollte eine Pausenkultur Einzug halten, die Erholung und Abschalten erlaubt und möglich macht. Sich in den Pausen vom Arbeitsplatz entfernen, Bewegung, frische Luft – all das sind Kleinigkeiten, die aber eine große Wirkung haben können.
- Zufriedene Mitarbeiter – zufriedene Kunden
Zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erledigen ihre Arbeit gerne und bringen dementsprechend gute Leistungen im Umgang mit den Kunden. Arbeitszufriedenheit und ein gewisses Maß an eigenen Spielräumen bieten einen guten Schutz vor emotionaler Erschöpfung.
- Mehr Freiraum für die Beschäftigten schaffen
Guter Service braucht Zeit und Beschäftigte benötigen ausreichend Zeit, um erfolgreich mit Kunden agieren und kommunizieren zu können. Auch die Stärkung der Eigenverantwortung ist wichtig, denn ein Schutzfaktor vor emotionaler Erschöpfung ist die wahrgenommene Kontrolle über die eigene Tätigkeit.
- Soziale Unterstützung im Unternehmen stärken
Die gegenseitige Unterstützung in Teams und durch Vorgesetzte ist ein wesentlicher Punkt, der vor emotionaler Erschöpfung schützen kann. Präventionsangebote und externe Beratungsangebote für Beschäftigte können die Entstehung von chronischem Stress und Burnout reduzieren und den Erhalt eines gesunden Arbeitsklimas im Unternehmen unterstützen.
Ein persönlicher Gedanke zum Schluss
Wenn ich darüber nachdenke, ist es ja eigentlich kontraproduktiv, dass Menschen regelmäßig ihre Gefühle zensieren müssen. Denn unsere Emotionen haben einen Sinn, auch wenn von uns oft Neutralität und positive Stimmung bei der Arbeit und privat gefordert werden.
Ich freue mich über freundliche Dienstleister in allen möglichen Bereichen. Aber mit Blick auf die Zusammenhänge von Emotionsarbeit und emotionaler Erschöpfung frage ich mich, ob nicht vielleicht in unserer Dienstleistungsgesellschaft an manchen Stellen ein Umdenken möglich und nötig ist? Überspitzt gesagt wäre das so etwas wie „ein Recht auf schlechte Laune“ am Arbeitsplatz zum Wohle der Gesundheit. Neutraler formuliert, die Möglichkeit, sich Kundinnen und Kunden gegenüber authentisch verhalten und „emotionale Souveränität“ zeigen zu dürfen.
Denn wenn dauerhafte oberflächliche Emotionsarbeit zur Entstehung von emotionalem Stress und Burnout mit hohen Krankheitskosten beiträgt, dann könnte etwas wohl dosierte schlechte Laune ja vielleicht gut für die Gesundheit der Beschäftigten sein. Und vielleicht zusätzlich noch schonend für die Geldbeutel der Krankenkassen. Da wären dann aber auch die Kunden gefragt: Die müssten das mittragen.
Aber vielleicht könnten wir als Kundinnen und Kunden zunächst mal versuchen, unsere Anliegen häufiger mit mehr Freundlichkeit, Respekt oder Geduld vorzubringen. Dann könnte es den Beschäftigten im Dienstleistungsbereich leichter fallen, freundlich und wertschätzend mit uns als Kundinnen und Kunden umzugehen.
Denn, wie es in den Wald hinein ruft, so schallt es auch wieder heraus.